Schnellerer Weg aus den Schulden
Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 17. Dezember 2020 die Änderung der Insolvenzordnung dahingehend beschlossen, dass nunmehr die Restschuldbefreiung schon nach 3 Jahren erteilt werden kann.
Geltung bereits ab dem 01.10.2020
Besonders wichtig ist die Tatsache, dass die Regelung schon für Insolvenzanträge gilt, die seit dem 1. Oktober 2020 gestellt worden sind. Dies war vom Gesetzgeber auch so angekündigt und geplant worden. Bis zuletzt war jedoch unsicher, ob aufgrund der zeitlichen Verschiebung der Umsetzung im Rahmen der Gesetzgebung diese Frist noch eingehalten werden kann.

Die Neuregelung ist Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaktes der Bundesregierung. Gerade mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sollen redliche Schuldner schneller die Möglichkeit für einen Neuanfang erhalten. Die Neuregelung setzt zudem die Vorgaben der EU-Richtlinie über die Restrukturierung und Insolvenz für den Bereich der Entschuldung um.
Wie bisher müssen Schuldner umfangreichen Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können. Etwa müssen sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Schließlich dürfen keine Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung bekannt und von Gläubigern geltend gemacht werden. Denn Restschuldbefreiung soll nur der redliche Schuldner erlangen. Die Restschuldbefreiung kann versagt werden, wenn der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode vorsätzlich oder grob fahrlässig „unangemessene Verbindlichkeiten“ begründet
„Mit dem Instrument der Restschuldbefreiung können Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen die Befreiung nicht erfüllter Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern erlangen. Dies soll ihnen die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang geben.“
Neubeantragung erst nach 11 Jahren
Da auch bei dieser Gesetzesänderung die Angst sehr groß zu sein scheint, dass man dem Schuldner zu viel des Guten angedeihen könnte, hat man über ein Gegengewicht nachgedacht. Der Zeitraum, ab dem eine erneute Restschuldbefreiung beantragt werden kann, soll in Zukunft 11 Jahre und nicht wie bislang 10 Jahre betragen. Damit will man verhindern, dass ein Schuldner sich von Insolvenz zu Insolvenz hangelt und zwischendurch immer wieder neue Schulden macht. Die Angst vor dem cleveren Schuldner (eine Schimäre!), der das Insolvenzrecht missbraucht, sitzt in Deutschland besonders tief. Anders lassen sich derartige Gesetzesänderungen nicht erklären. Auf der anderen Seite ist es so: Jemand, der die Restschuldbefreiung schon mal erhalten hat, sollte fürs Leben genug gelernt haben. Insoweit ist die Änderung dieser Regelung zwar ziemlich überflüssig, aber schadet wohl nicht allzu viel. In der Erklärung heißt es hierzu:“Die Verkürzung des Verfahrens soll nicht auch dazu führen, dass die Schuldnerin oder der Schuldner im Falle einer späteren Wiederverschuldung auch schneller zu einer zweiten Restschuldbefreiung kommen kann. Daher wird die derzeitige zehnjährige Sperrfrist auf 13 Jahre erhöht.”
Speicherung der Restschuldbefreiung nicht klar geregelt
Ein Vorschlag des Bunderates, die Speicherfrist für das Merkmal der Restschuldbefreiung bei Auskunfteien auf ein Jahr zu begrenzen, wurde vom Bundestag nicht umgesetzt. Dies kritisieren Verbraucherschützer und Datenschützer.
Es ist daher weiterhin unklar, welche Speicherfristen hier gelten und in welcher Form eine Interessenabwägung nach Art. 6 DSGVO in Bezug auf die Speicherung der Restschuldbefreiung erfolgen muss. Hier hat der Bundestag lediglich eine Evaluation angekündigt, was aus meiner Sicht höchst unbefriedigend für betroffene Verbraucher ist, die bereits in Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen haben.
Für alle gleich…
Dass die geplante Verkürzung der Verfahrensdauer nicht nur unternehmerische Insolvenzen betrifft (sogenannte Regelinsolvenzen) sondern auch Verbraucherinsolvenzen, wurde durch das Justizministerium erneut hervorgehoben, ist aber der Erwähnung nicht wert, denn es ist nach einhelliger Auffassung in diesem Punkt gar nicht möglich, beide Fälle ungleich zu behandeln:“Der Referentenentwurf setzt die Vorgaben der Richtlinie nicht nur für unternehmerisch tätige Personen um, sondern auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.”
Die Neuregelung im Einzelnen:
- Die kürzere Verfahrensdauer von drei Jahren giltfür alle ab dem 1. Oktober 2020 beantragten Verfahren. Für Verbraucherinnen und Verbraucher soll diese Regelung zunächst bis zum 30. Juni 2025 gültig sein und dann evaluiert werden.
- Für zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 beantragte Insolvenzverfahren gilt eine Übergangsregelung. In diesen Fällen verkürzt sich der bisherige reguläre Zeitraum von sechs Jahren für die Erlangung einer Restschuldbefreiung um so viel volle Monate wie seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie am 16. Juli 2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrages vergangen sind. Daneben besteht in die Möglichkeit, eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach bisherigem Recht zu erlangen.
- Insolvenzbedingte Verbote beruflicher Tätigkeiten treten künftig mit Ablauf der Entschuldungsfrist außer Kraft. Bei erlaubnis- und zulassungspflichtigen Tätigkeiten ist jedoch erneut eine Genehmigung dafür einzuholen.
- Die derzeitige zehnjährige Sperrfrist für ein zweites Restschuldbefreiungsverfahren wird auf elf Jahre erhöht. Es unterliegt dann auch einer längeren Verfahrensdauer von fünf Jahren. Denn die Verkürzung des Verfahrens soll nicht dazu führen, dass Schuldner im Falle einer späteren Wiederverschuldung schneller zu einer zweiten Entschuldung kommen können.
Die Neuregelung basiert auf den bisherigen Erfahrungen mit Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen: Gläubiger konnten bisher im Falle einer Unternehmensinsolvenz bei Durchführung eines dreijährigen Restschuldbefreiungsverfahrens in den weit überwiegenden Fällen mit signifikanten Befriedigungsquoten rechnen.
Bei der Insolvenz von Verbrauchern können in der Regel Insolvenzforderungen auch bei einer regulären Dauer des Restschuldverfahrens von derzeit sechs Jahren nicht eingebracht werden. Unverschuldete und unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit, Scheidung und Arbeitslosigkeit bei Verbrauchern zählen zu den Hauptursachen von Überschuldungen. Sie lassen sich in der Regel nicht über die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens steuern.
Stand: 18.12.2020